Nachgefragt Swissbau 2024

Gesucht! Fachkräfte im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz

Die Schweiz benötigt mehr Fachleute für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, kurz ASGS. Erfahren Sie in unseren Experteninterviews aus erster Hand, warum das Thema alle betrifft, wer und was hinter der Berufsbildung ASGS steckt und wie «Safety» bei Implenia gelebt wird.

Unfälle und Gesundheitsprobleme am Arbeitsplatz betreffen täglich viele Arbeitnehmende und Unternehmen. So waren allein im Jahr 2022 293’132 Personen von einem Unfall oder einem Gesundheitsproblem am Arbeitsplatz betroffen (Suva). Auch wenn sie nicht direkt involviert sind, sorgen sich die Schweizerinnen und Schweizer nach wie vor um ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit: 23 % der Arbeitnehmenden geben an, besorgt zu sein (SECO). In diesem Kontext sind die Spezialistinnen und Spezialisten für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz tätig. Ihre Rolle besteht darin, sich um alle Aspekte der Gesundheit und Sicherheit in einem Unternehmen zu kümmern, von der Prävention bis hin zur Nachsorge nach einem Unfall oder einer Krankheit.

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Peter Schwander, Präsident Verein höhere Berufsbildung ASGS und Projektverantwortlicher EKAS

Was ist der Verein höhere Berufsbildung ASGS?
«Verein höhere Berufsbildung ASGS» ist die abgekürzte Schreibweise des «Schweizerischen Trägervereins höhere Berufsbildung Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz». In diesem Verein haben sich fünf Organisationen zusammengeschlossen. Der Vereinszweck ergibt sich aus dem Namen: Es soll die höhere Berufsbildung im Fachbereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gefördert werden. Der Verein ist die gesamtschweizerisch tätige Trägerschaft für eine Berufsprüfung und eine höhere Fachprüfung.

Welches Ziel verfolgt der ASGS? 
Im schweizerischen Bildungssystem existieren eine Vielzahl von Abschlüssen und Karrieremöglichkeiten. Bis vor wenigen Jahren gab es aber keinen eigenständigen Bildungsweg für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (ASGS) in diesem System. Es gab diverse Weiterbildungen und Kurse. Diese waren aber allesamt in der beruflichen Weiterbildung angesiedelt. Grundzüge von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind in vielen anderen Berufsbildungen enthalten. Oft fehlt es aber an einem vertieften und systematischen Verständnis für die wichtigen Themen.

Hier setzt der Verein höhere Berufsbildung ASGS an: Er organisiert eine umfassende Berufsprüfung für Spezialistinnen und Spezialisten ASGS und eine höhere Fachprüfung für Expertinnen und Experten ASGS. Diese geprüften und ausgewiesenen Fachleute unterstützten die Betriebe und die letztlich verantwortlichen Arbeitgeber beim Schutz der Mitarbeitenden vor Berufsunfällen und Beeinträchtigungen der Gesundheit. 

Dadurch kann die gesetzliche Verpflichtung erfüllt, Kosten eingespart und das Vertrauen sowie Wohlbefinden der Belegschaft gestärkt werden.

Welche Partner und Firmen stecken dahinter?
Die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS), der Interkantonale Verband für Arbeitnehmerschutz (IVA), die Suva, das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und der Verband Schweizerischer Arbeitsmarktbehörden (VSAA) haben den Verein am 7. November 2013 gegründet.

Was beinhaltet die Weiterbildung? 
Die modulare Weiterbildung für zukünftige Spezialistinnen und Spezialisten ASGS ist vielseitig, praxisorientiert und vermittelt die notwendigen Kompetenzen. Es werden Methoden für die Erstellung von Gefährdungsermittlungen und Ideen für den Aufbau von Sicherheitskonzepten vermittelt. Daneben lernen die Teilnehmenden, Schulungen und andere Präventionsaktivitäten wirkungsvoll durchzuführen. Zusätzlich werden die aktuellen gesetzlichen Grundlagen studiert und auf die Verhältnisse im jeweiligen Betrieb angewandt. Auch die individuellen Fähigkeiten zur Beobachtung und Analyse werden in der Weiterbildung gefördert. Zudem erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und den Verantwortlichkeiten.

Die aufbauende Weiterbildung für Expertinnen und Experten ASGS befasst sich zusätzlich mit der Integration von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in die Unternehmensstrategie und der Durchführung von Risikoanalysen und dem Aufbau eines Risikomanagements. Auch Führungsaufgaben als Leitungspersonen von Fachteams, die Zusammenarbeit in interdisziplinären - teilweise internationalen – Teams und die Organisation von Fort- und Weiterbildungen in grossen Betrieben sind wichtige Themen. Zusätzlich werden Kompetenzen im Umgang mit komplexen, sich rasch verändernden Arbeitssituationen und Prozessen geschult.

Warum ist diese Weiterbildung für die Bau- und Immobilienbranche interessant?
Gerade die Bau- und Immobilienbranche ist geprägt durch eine hohe Dynamik und eine grosse örtliche Vielfalt. Zusätzlich vereinen sich in dieser Branche Personen unterschiedlichster Herkunft; sei das beruflich, sozial oder geografisch. Häufig ist zudem eine Vielzahl von Arbeitgebern gleichzeitig und überschneidend tätig. Zusammen mit den modernen Bau- und Konstruktionsmethoden und den vielfältigen Stoffen und Materialien an und in den Gebäuden ergibt sich ein hochkomplexes System.

Ausgewiesene Fachspezialisten sind unabdingbar um die vielfältigen Risiken, welchen die Arbeitnehmenden in diesem System ausgesetzt sein können, präventiv zu erkennen und zu beherrschen. Nur mit ihrer Hilfe können die verantwortlichen Arbeitgeber ihre Pflichten zum Schutz der Arbeitnehmenden zuverlässig wahrnehmen.


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Rolf Riser, Global Safety Specialist bei Implenia

Was bedeutet Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz für Sie?
Dass alle Mitarbeitenden jeden Abend gesund und unverletzt nach Hause gehen. Und dass der Belegschaft auf allen Stufen klar ist, was ihre Pflichten sind und welche Verantwortung sie für sich und andere tragen.

Wie relevant ist das Thema Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bei Implenia?
Das Thema ist sehr präsent und wird von oben nach unten getragen. Sprich, die Gruppenleitung lebt es vor und vermittelt das auch in die Organisation hinein. Das oberste Management ist sich seiner Vorbildfunktion bewusst und versteht, dass man die Mitarbeitenden involvieren muss, um ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld zu bieten.

Sind Sie allein oder arbeiten Sie in einem Team bei Implenia?
Wir haben in der Schweiz ein Team aus rund 20 Arbeitssicherheits-Spezialistinnen und -Spezialisten sowie zwei Fachkräften im Beruflichen Gesundheitsmanagement. Innerhalb dieses Netzwerkes sind wir rege im Austausch. Felix Akeret als Global Head Safety und ich sind der Knotenpunkt, an dem alles zusammenläuft und von wo aus vertieft kommuniziert wird, falls nötig. Die Organisationen in unseren weiteren Ländern sind unterschiedlich, der Prozess aber im Grundsatz der gleiche. Damit haben wir einen globalen Austausch zwischen Deutschland, Österreich, Schweden, Norwegen, Frankreich und der Schweiz und lernen auch grenzüberschreitend.

Welche Strategie und Aufgaben verfolgt Implenia im Bereich von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz?
Wir wollen die Führungskräfte auf allen Ebenen befähigen, mit dem Thema ASGS effektiv umzugehen und als «Safety Leader» zu wirken. Ihr Einfluss auf die Organisation ist zentral. Daneben wollen wir bei allen Mitarbeitenden das Wissen und Bewusstsein im Bereich ASGS fördern sowie einen einheitlichen Standard schaffen. Wenn wir zum Beispiel von «Risiko» oder «Schadenspotenzial» reden, sollten alle dasselbe darunter verstehen.

Welche Massnahmen erfolgen daraus?
Wir bieten Schulungen und Workshops in der Linie an und stellen die Umsetzung unserer Safety-Strategie sicher, etwa durch flankierende Massnahmen wie unseren globalen Health & Safety Day, die jährliche Verleihung eines Health & Safety Awards und die Bereitstellung unterstützender Dokumente. Ausserdem führen wir Begehungen von Arbeitsplätzen durch und zeigen damit den Führungskräften, wie sie sich verbessern können. Alle Vorfälle werden bei uns gruppenweit in einem Reporting-Tool erfasst und analysiert. Daraus leiten wir einen Massnahmenkatalog für die verschiedenen Einheiten ab.


Ein Beruf im Dienst der Mitarbeitenden…
ASGS-Fachkräfte sind eine geschätzte Anlaufstelle für die Mitarbeitenden eines Unternehmens. Neben der Sicherstellung eines sicheren und der Gesundheit zuträglichen Arbeitsumfelds haben die Spezialistinnen und Spezialisten im Arbeitsalltag ein offenes Ohr für die Anliegen und Herausforderungen des Personals. Auf diese Weise fühlen sich Mitarbeitende in die Überlegungen miteinbezogen und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz wird gesteigert. Auch das Verhältnis der Beschäftigten zum Arbeitgebenden wird deutlich verbessert, da sie wahrnehmen, dass man sich um ihre Gesundheit und Sicherheit kümmert. Die Einbindung einer Fachkraft führt zudem dazu, dass es zu weniger Unfällen und Krankheiten kommt und diese im Durchschnitt weniger schwerwiegend sind, insbesondere durch die Präventionsarbeit und Schulung der Mitarbeitenden. Schon das Verhindern eines einzigen Unfalls kann das Leben eines Mitarbeitenden verändern. Der Beruf ist daher besonders interessant für Menschen, die nach einer sinnstiftenden Arbeit suchen.

 ...und Unternehmen
Unfälle, Krankheiten und Fehlzeiten verursachen hohe Kosten für die Unternehmen. Durch die Unfall- und Gesundheitsprävention der ASGS-Fachkräfte lassen sich substanzielle Einsparungen erzielen. «Man geht bei der Tätigkeit der ASGS-Fachkräfte von einem Return on Prevention in Höhe von 2,2 aus. Das heisst, für jeden in die Prävention investierten Franken spart das Unternehmen 2.20 Franken», so Peter Schwander, Präsident des Verbandes. ASGS-Expertise wirkt sich auch positiv auf die Produktivität aus. Arbeitnehmende, die sich sicher fühlen und Vertrauen in das Unternehmen haben, vermögen mehr zu leisten. Des Weiteren achtet die ASGS-Fachkraft im Betrieb auf die Einhaltung der geltenden Normen und gesetzlichen Grundlagen. Sie ist darum besonders wichtig in körperlich fordernden oder gefährlichen Berufen wie dem Baugewerbe, in der Industrie oder generell in handwerklichen Berufen. Sie können aber auch in jedem anderen Arbeitsumfeld einen wichtigen Beitrag leisten, etwa wenn es um die psychische Gesundheit geht.